Öffentliche Ringvorlesung "Digitalisierung - Digitale Nachhaltigkeit" Sommer 2023

Die schnelle Verbreitung des Internet in der Gesellschaft hat einen weitreichenden zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungsprozess befördert. Zunächst nur eine technische Infrastruktur, ändert das Internet heute fundamental die Art und Weise, wie Menschen kommunizieren und sich informieren, wie ihre Arbeitswelt aussieht und sie ihre Freizeit gestalten, wie politische Prozesse funktionieren, Meinungen entstehen und wie Werte geschaffen und Wissen vermittelt wird. Damit hat das Internet tiefgreifende Auswirkungen auf die zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes und seine Position im globalen Wettbewerb.

Dieser Wandel stellt auch die Gesellschaft in Europa vor große Herausforderungen. Auch hier trifft der Umbruchprozess auf eine Gesellschaft mit gewachsenen Sozialbeziehungen, auf ein international erfolgreiches wirtschaftliches System und auf Menschen, die in ihrer großen Mehrheit diese Gesellschaft mit viel Engagement mittragen und weiterentwickeln wollen. Der mit dem Internet und der Digitalisierung verbundene Umbruchprozess findet nicht auf der "grünen Wiese" statt. Er muss von einer gewachsenen Gesellschaft aktiv gestaltet werden. Um den erreichten gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren, ist es gerade in Deutschland und anderen Industriestaaten erforderlich, die sich abzeichnenden Veränderungsprozesse aufmerksam durch politische Maßnahmen zu begleiten, um ihre gesellschaftlichen und ökonomischen Chancen nutzen und Verwerfungen frühzeitig entgegensteuern zu können. Die technologischen Veränderungen und Möglichkeiten treffen die Gesellschaft mit einer derartigen Wucht, dass sogar die entscheidende Frage, wie die Gesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung eigentlich aussehen und funktionieren soll, nur zögerlich gestellt wird und das enorme gestalterische Potential ebenfalls nur sehr zögerlich debattiert und realisiert wird. Wir wollen dazu beitragen, die Gesellschaft zu ermächtigen, auch in Zeiten der Digitalisierung ihr Schicksal aktiv selbst zu gestalten und nicht passiv Opfer unverstandener oder nicht erkannter Entwicklungen zu sein.

In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation  und der Fakultät für Informatik der TU Wien veranstaltet das Department Informatik der CIT School der Technischen Universität München deswegen eine öffentliche Ringvorlesung zum Thema Digitalisierung. Betrachtet werden soll das Thema aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen, um so ein übergreifendes und interdisziplinäres Verständnis der Materie zu erzielen. Dieses Jahr widmen wir uns speziell dem Thema der digitalen Nachhaltigkeit.

Themen und Vortragende jeweils am Montag um 16:30 Uhr über Youtube. Die Folien werden Studierenden der TUM auf Moodle zur Verfügung gestellt.

Die Grundlage der Digitalisierung ist Software. Hier (und hier auf Englisch) finden Sie eine Beschreibung dessen, was Software eigentlich ist und wie Software und Künstliche Intelligenz, vor allem Maschinenlernen, zusammenhängen.


Vortragende und Themen für 2023:

  1. Julian Nida-Rümelin, bidt und LMU (17.4.)
    Einführung in Digitale Nachhaltigkeit
  2. Dirk Riehle, FAU Erlangen (24.4.)
    Open Source Software
    Dieser Vortrag erklärt das Phänomen der Open-Source-Software und ihrer Gemeinden. Allgemein fragen und beantworten wir: Wie funktioniert Open-Source-Software-Entwicklung? Auf Ebene von Individuen: Warum machen Freiwillige das? Was bedeutet dies für den Arbeitsmarkt? Auf Ebene von Unternehmen: Warum sind diese so stark engagiert? Wie sichert man Frieden bei Partialinteressen? Und auf Landesebene: Wie hilft Open Source dem Standort Deutschland? Wie erreichen wir Nachhaltigkeit und digitale Souveränität?
     
  3. Markus Pizka, itestra (8.5.)
    Software-Maintenance und Nachhaltigkeit langlebiger Systeme

    Viele Software-Systeme sind über lange Zeiträume von 30 Jahren und mehr im Einsatz. Wie andere Wirtschaftsgüter verlieren auch Software-Systeme über die Zeit an Effizienz und Qualität. Die Leistung sinkt, Risiken und der Verbrauch an Ressourcen steigen stark an und die Nachhaltigkeit nimmt erheblich ab. Diese Effekte sind jedoch vermeidbar bzw. können stark abgemildert werden. Systematische Analysen der Ursachen und innovative Software-Maintenance Maßnahmen bieten zusammen erhebliches Potential um sowohl die ökonomische Effizienz als auch die Nachhaltigkeit langlebiger Software-Systeme zu steigern. Im Vortrag wird diese Chance anhand von Grundlagen als auch konkreten Beispielen aus der Praxis dargestellt.

  4. Schahram Dustdar, TU Wien (15.5.) !!! ENTFÄLLT!!!
    Building intelligent sustainable internet-based ecosystems
    Modern distributed systems deal with many uncertain scenarios, where environments, infrastructures, and applications are widely diverse. In the scope of IoT-Edge-Fog-Cloud computing, sustainability issues for designing energy-efficient distributed systems arise.
    Leveraging neuro-inspired principles and mechanisms could aid in building more flexible solutions able to generalize over different environments. A captivating set of hypotheses from the field of neuroscience suggests that human and animal brain mechanisms result from few powerful principles.In this talk we discuss some fundamental research activities with the goal to make progress in the design and execution of sustainable digital ecosystems.
  5. Severin Kacianka und Niina Zuber, bidt und TUM (22.5.)
    Value-Driven Software Design
    Sustainable software products are based on the imperative to evaluate and understand the product from multiple perspectives: A technical reflection requires taking cultural, social, ecological and political perspectives into account. This is called an ethical deliberation.  In our talk, we will locate the ethical ‘room for maneuver’ within the concrete digital artifact the individual engineer is working on. This will foster sustainable software development and thus foster a cultural change where ethical deliberation is an integral part of the decision making. Structurally, this needs to be embedded into the larger space of agile software development processes. We show how ethical deliberation can be embedded into one such agile methodology, Scrum, and thus empower and enable the engineers to explicate their ethical deliberations.
  6. Ivona Brandic, TU Wien (5.6.)
    Computational Sustainability: From Sustainable IT to the IT for the Sustainable World
    In this talk we revisit the research on computational sustainability done in the past 15 years. In the first part of this talk we will discuss the concepts of sustainable IT. In particular, we will discuss novel approaches for sustainable fault tolerance and trustworthy geographically distributed AI applications utilized on systems ranging from the size of a smartphone to a warehouse scale data center. In the second part of the talk we will present several use cases where IT can be utilized to combat climate change and help us to develop a more sustainable world.
  7. Nysret Musliu, TU Wien (12.6.)
    Optimization and ai for sustainable Applications
    Real-life problems in domains as diverse as health care, supply chain, production and education are frequently very challenging and their solutions impact people involved as well as the resource consumption and efficiency of operations. Optimization and AI  provide robust techniques that can be employed to effectively address such problems in a variety of sustainable applications.
    This lecture gives an overview of various optimization and AI techniques, including problem solving and machine learning techniques. Through case studies in scheduling and planning, as well as food waste reduction, we will demonstrate how these techniques can be applied to solve complex problems in sustainable applications
  8. Thomas Franke, Universität Lübeck (19.6.)

    Mensch – Technik – Nachhaltigkeit: Individuelles nachhaltiges Verhalten im Digitalen
    Nachhaltigkeit wird immer mehr zum Gestaltungsziel von technischen Systemen. Aber wovon hängt es eigentlich ab, ob Systeme ihr technisches Potenzial im Alltag auch tatsächlich entfalten?
    In vielen Kontexten ist der Mensch ein entscheidender Faktor für den tatsächlichen Nachhaltigkeitseffekt. Oder anders gesagt: Nachhaltigkeit = technisches Potenzial * Nutzerverhalten.
    Für eine erfolgreiche Digitalisierung für Nachhaltigkeit braucht es daher ein genaues Verständnis der psychologischen Dynamik in der Mensch-Technik-Interaktion.
    Dieser Vortrag befasst sich mit der menschlichen Ressourcenregulation im Kontext der Nutzung digitaler Systeme und welche Design-Implikationen sich daraus ableiten lassen. Anhand von konkreten Beispielen aus dem Bereich der Interfacegestaltung im Kontext von Energie und Mobilität werden Herausforderungen und Lösungen für eine menschzentrierte Systemgestaltung skizziert.

  9. Klemens Himpele, Stadt Wien (26.6.)
    Wozu Digitalisierung, Wozu Daten und was hat das mit dem Digitalen Humanismus zu tun?
    Digitalisierung spielt auch in der Verwaltung eine enorme Rolle, nicht zuletzt die Pandemie hat diese Entwicklung beschleunigt. Dabei gilt: Der technologische Fortschritt ist Basis unseres Wohlstandes, aber er ist nicht neutral. Die besondere Herausforderung der Stadt: Sie will und muss alle Bürger*innen mitnehmen und Angebote schaffen, die von allen genutzt werden können. Und im digitalen Bereich folgt die Frage: Wie umgehen mit den Daten? Wir nutzen die Daten für bessere Services, wir nutzen die Daten zur internen Steuerung und wir stellen viele Daten OGD (open Data Government). Die nächste Frage, die auf uns zukommt: Nutzen wir die Daten für Anwendungen mit künstlicher Intelligenz.
    Die Stadt Wien hat – abgeleitet aus der Digitalen Agenda – eine Datenstrategie, eine KI-Strategie und sich über ein Regierungsübereinkommen dem Digitalen Humanismus verschrieben.
  10. Sascha Friesike und André Ullrich, Weizenbaum-Institut (3.7.)
    Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Geschäftsmodelle
    In der Vorlesung werden Konzepte und Praktiken diskutiert, die es Unternehmen ermöglichen, auf ökologisch und sozial verantwortungsvolle Weise zu wirtschaften. Die Vorlesung konzentriert sich auf die Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in das Kerngeschäft von Unternehmen und beleuchtet verschiedene Ansätze und Strategien, die Unternehmen nutzen können, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dabei werden Herausforderungen gegenwärtig vorherrschender Geschäftsmodellansätze sowie aktuelle Trends und Entwicklungen im Bereich nachhaltiger Geschäftsmodelle diskutiert. Ziel der Vorlesung ist es, den Studierenden ein umfassendes Verständnis dafür zu vermitteln, wie Unternehmen dazu beitragen können, die Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation zu bewältigen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu handeln.
  11. Matthias Stürmer, Fachhochschule Bern (10.7.)
    Digitale Nachhaltigkeit bei künstlicher Intelligenz
    Neue KI-Modelle und deren Anwendungen wie ChatGPT erleben zurzeit einen grossen Hype und werden auch in Zukunft wichtige Grundlagen der digitalen Transformation bilden. Allerdings sind heutige KI-Entwicklungen oftmals von der Privatwirtschaft getrieben, was Transparenz und kommerzielle Weiterverwendung verhindert. Das Referat zeigt aktuelle Beispiele auf und erläutert, wie digitale Nachhaltigkeit und Digital Public Goods diese Problematik adressieren.
  12. Mariagrazia Squicciarini, UNESCO Social and Human Sciences Sector (17.7.)
    UNESCO Recommendations on the ethics of AI
     

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