Öffentliche Ringvorlesung Digitalisierung Sommer 2019

Die schnelle Verbreitung des Internet in der Gesellschaft hat einen weitreichenden zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungsprozess befördert. Zunächst nur eine technische Infrastruktur, ändert das Internet heute fundamental die Art und Weise, wie Menschen kommunizieren und sich informieren, wie ihre Arbeitswelt aussieht und sie ihre Freizeit gestalten, wie politische Prozesse funktionieren, Meinungen entstehen und wie Werte geschaffen und Wissen vermittelt wird. Damit hat das Internet tiefgreifende Auswirkungen auf die zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes und seine Position im globalen Wettbewerb.

Dieser Wandel stellt auch die deutsche Gesellschaft vor große Herausforderungen. Auch hier trifft der Umbruchprozess auf eine Gesellschaft mit gewachsenen Sozialbeziehungen, auf ein international erfolgreiches wirtschaftliches System und auf Menschen, die in ihrer großen Mehrheit diese Gesellschaft mit viel Engagement mittragen und weiterentwickeln wollen. Der mit dem Internet und der Digitalisierung verbundene Umbruchprozess findet nicht auf der "grünen Wiese" statt. Er muss von einer gewachsenen Gesellschaft aktiv gestaltet werden. Um den erreichten gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren, ist es gerade in Deutschland und anderen Industriestaaten erforderlich, die sich abzeichnenden Veränderungsprozesse aufmerksam durch politische Maßnahmen zu begleiten, um ihre gesellschaftlichen und ökonomischen Chancen nutzen und Verwerfungen frühzeitig entgegensteuern zu können. Die technologischen Veränderungen und Möglichkeiten treffen die Gesellschaft mit einer derartigen Wucht, dass sogar die entscheidende Frage, wie die Gesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung eigentlich aussehen und funktionieren soll, nur zögerlich gestellt wird und das enorme gestalterische Potential ebenfalls nur sehr zögerlich debattiert und realisiert wird. Wir wollen dazu beitragen, die Gesellschaft zu ermächtigen, auch in Zeiten der Digitalisierung ihr Schicksal aktiv selbst zu gestalten und nicht passiv Opfer unverstandener oder nicht erkannter Entwicklungen zu sein.

In Zusammenarbeit mit dem Bavarian Research Center for Digital Transformation veranstaltet die Fakultät für Informatik der Technischen Universität München deswegen eine öffentliche Ringvorlesung zum Thema Digitalisierung. Betrachtet werden soll das Thema aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen, um so ein übergreifendes und interdisziplinäres Verständnis der Materie zu erzielen.

Themen und Vortragende jeweils am Donnerstag um 16:00 Uhr im Gebäude 003, neues Interimsgebäude II (5416.01.003) an der TUM in der Lichtenbergstraße 2b in Garching, sofern nicht anders angegeben s.u. Die Folien werden auf Moodle zur Verfügung gestellt.

  1. Florian Matthes, TUM (2.5.)
    Blockchains – Grundlagen, Chancen und Risiken
    Wir vermitteln zunächst einen Überblick über die in Entwicklung befindlichen Blockchain Technologien. Hierzu erläutern wir, wie die Konzepte, Funktionen und Akteure der Blockchain ineinandergreifen, um eine verteilte digitale Buchführung basierend auf kryptographischen Protokollen zu realisieren. Aufbauend auf einer Klassifikation dieser Technologien identifizieren wir m zweiten Teil des Vortrags die zentralen Chancen und Risiken dieser Technologien aus ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht. Der Vortrag endet mit einem Verweis auf neu entstehende Netzwerke zur Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung.
  2. Andre Scherl, Staatsinstitut f. Schulqualität und Bildungsforschung (9.5.)
    Souverän in einer digitalisierten Welt
    Die Schule soll Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten und Unterstützung geben, sich zu mündigen Staatsbürgern zu entwickeln, die am gesellschaftlichen Leben souverän teilhaben. Dafür entwickeln die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen in den verschiedensten Bereichen. Der Bereich der Medienbildung hat in diesem Zusammenhang stark an Bedeutung gewonnen, da unser Alltag von digitalen Medien unausweichlich mitbestimmt wird. Die Kultusminister Konferenz hat daher einen Kompetenzrahmen zu ihrer Strategie für "Bildung in der digitalen Welt" entwickelt, der auch in Bayern implementiert wurde und Teil der Umsetzung des "Masterplan Bayern DIGITAL II" ist. Schulen richten ihre Medienentwicklung nach diesen Standards aus und auch die Lehrerfortbildung qualifiziert die bayerischen Lehrkräfte flächendeckend zum Lehren mit und über digitale Medien. Digitale Medien werden jedoch nicht erst seit kurzem in bayerischen Schulen behandelt. So gab es beispielsweise schon 2006 das Projekt BayernMoodle und viele andere Initiativen. Einige sind mittlerweile in "mebis - Landesmedienzentrum Bayern" aufgegangen, das staatliche Angebot für alle bayerischen Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler. mebis unterstützt die Lehrkräfte mit Informationen rund um die Medienbildung, mit Hilfestellungen und Tools zur Gestaltung der schulischen Medienentwicklungsplanung und nicht zuletzt mit ausgewählten Medien sowie Werkzeugen zur Bereicherung der Methodenvielfalt und Steigerung der Unterrichtsqualität. Das Ministerium für Unterricht und Kultus, das Staatsinstitut für Unterricht und Bildungsforschung sowie die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung arbeiten auch in Sachen Digitale Bildung eng zusammen und haben noch eine innovative Zukunft vor sich.
  3. Courtney Bowman, Director of Privacy & Civil Liberties Engineering at Palantir (16.5.)
    Machine Learning with Human Understanding
    Machine Learning (ML) has become a ubiquitous tool for data science platforms over the last several years. But like earlier variants of automated information systems design, Palantir’s approach to applying ML techniques has tended to be reserved, even cautious. The lessons that we learned from the early days of the company regarding the merits of augmented intelligence in sensitive data environments continue to permeate our work today. In this event Courtney Bowman invites you to join him in a discussion examining the pitfalls of naïve ML approaches, the practical and ethical virtues of augmented intelligence, and principles of good data science that should be infused in all our modeling work.
  4. Uwe Dumslaff, Executive Vice President und CTO Capgemini Deutschland (23.5.)
    Digitalisierung – Nächste Stufe: Lernen wir von den kritischen und erfolgreichen Unternehmensführern
    Die ersten Digitalisierungswellen haben wir alle erfahren – privat und geschäftlich. Welche Erfahrungen haben wir gemacht? Was haben wir daraus gelernt? Wie können wir in den relevanten Dimensionen differenzierter bewerten und entscheiden? Aus den digitalen Erfahrungen großer Organisationen und Unternehmen wird ein Überblick aus verschiedenen Blickwinkeln wie Menschen, Technologie, Organisation oder Geschäftsmodelle auf der Basis von aktuellen Studienergebnissen und Interviews vorgestellt. Selbstverständlich hat Capgemini als IT-Dienstleister eine Meinung dazu.
  5. Eric Hilgendorf, Universität Würzburg und BIDT (6.6.)
    Zum Rechtsrahmen der Entwicklung Künstlicher Intelligenz in Europa - die Vorschläge der Europäischen 'High Level Expert Group on AI' und die Idee von Software als 'e-Person'
    In Brüssel und Strassburg wird derzeit intensiv über einen gesamteuropäischen ethischen und rechtlichen Rahmen für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz nachgedacht. Damit wird ein "Dritter Weg" unabhängig von den USA und von China angestrebt. In dem Vortrag sollen ein Überblick über die wichtigsten einschlägigen Vorschläge gegeben und eine vorläufige Bewertung versucht werden.
  6. Ursula Münch, Akademie für Politische Bildung und BIDT (13.6.)
    Auswirkungen der Digitalisierung auf Politik und Gesellschaft
    Die Digitalisierung erweitert die Möglichkeiten zur politischen Partizipation, ist aber auch geeignet, die Grundlagen sowie Gewährleistungen der Demokratie zu beeinträchtigen. Wie wirken sich die neuen Kommunikationsmöglichkeiten auf die Freiheit des öffentlichen Diskurses und damit den Prozess der politischen Meinungsbildung aus? Welche politischen Folgen sind mit der neuen (ökonomischen) Machtkonzentration verbunden? Mithilfe politikwissenschaftlicher Kategorien werden einzelne demokratietheoretisch relevante Aspekte der Digitalisierung analysiert.
  7. Thomas Hess, LMU München und BIDT (27.6.)
    Management der digitalen Transformation: CDOs, Digitalstrategien und andere Management-Instrumente in Theorie und Praxis
    Im Kontext der digitalen Transformation überprüfen Unternehmen ihre Produkte und ihre Schnittstellen zum Kunden, verändern ihre Geschäftsprozesse und stellen ihre Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand. Damit dies nicht nur zufällig geschieht, beschäftigen sich immer mehr Unternehmen mit der Einrichtung von Managementstrukturen, die helfen sollen, die digitale Transformation systematisch zu bewältigen. Der Vortrag präsentiert einen Überblick über die wichtigsten Instrumente. Vertieft behandelt werden neue Rollenmodelle (z.B. das eines Chief Digital Officers), Inhalte und Entstehungsprozess von Transformationsstrategien und die (fragwürdige) Rolle von „Digital Assessments“.
  8. Andreas Boes, isf München und BIDT (4.7.)
    Herausforderung Informationsökonomie - Soziologische Perspektive auf den Umbruch in Wirtschaft und Arbeitswelt
    Mit der verstärkten Verbreitung von Cloud-Konzepten und darauf aufbauenden Trends wie IoT und AI entsteht ein neues Muster von Wertschöpfung und Arbeit. Dabei handelt es sich aus einer soziologischen Perspektive nicht um eine inkrementelle Fortschreibung der Digitalisierung, sondern um einen historischen Paradigmenwechsel hin zur Informationsökonomie. Dieses neue Paradigma basiert auf der strategischen Nutzung von Informationen als Fundament von Wertschöpfung. Im Vortrag wird das Wesen des Paradigmenwechsels zur Informationsökonomie beschrieben, der derzeitige Umbruch in den Unternehmen analysiert und die Herausforderungen für eine reife Industriegesellschaft diskutiert.
  9. Jörg Ott, TUM (11.7.) - !!! ENTFÄLLT !!!
    Internet of People
    The past decade has seen numerous new application areas for Internet technologies that received strong academic and industrial interest: most notably, the Internet of Things but also the Internet of vehicles or simply the Internet of everything? But what about people? We will take a closer look at how the (type and) role of user has evolved over time and discuss directions how to give power in the Internet back to the people.
  10. Helmut Schönenberger, UnternehmerTUM (18.7.)
    The next digital startup success story?!
    Die Digitalisierung bietet Gründern die Chance, schnell disruptive Unternehmen aufzubauen, wie Celonis, Flixbus, Konux, Navvis und Tado. Im Vortrag wird am Beispiel des Münchner Startup Ecosystems aufgezeigt, welche Ressourcen, Prozesse und Netzwerke den jungen Unternehmern und Innovatoren heute zur Verfügung stehen. Gleichzeitig wird reflektiert, in welcher Wettbewerbssituation Münchner Startups zu Gründern aus anderen weltweit führenden High-Tech-Regionen stehen.
  11. Jens Grossklags, TUM (25.7.)
    Privatheit in einer digitalisierten Welt?
    Die Nutzung persönlicher Daten rückt zunehmend in den Kernbereich der Digitalisierung. Zahlreiche neue und alte Geschäftsmodelle, aber auch nichtkommerzielle Anwendungen, versprechen Vorteile von einer noch intensiveren Analyse unserer digitalen Daten. Zeitgleich drängen viele Interessenten auf eine noch tiefgreifendere Digitalisierung unseres Alltags. Wie kann ein Raum für Privatheit in solch einer Umgebung (weiterhin) überleben?

Organisation: Prof. Dr. Alexander Pretschner; Kontakt: Edeltraud Fichtl

 

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